ANRA

« from tRash to tReasure »

Der Ausstellungstitel «from tRash to tReasure» – «vom Abfall zum Schatz» umschreibt das Arbeiten der Zwillingsbrüder A N R A Andreas und Ralph Hilbert aus Lottstetten (D). Das Recycling und Upcycling praktizieren die Künstler seit über zwanzig Jahren und wie ein roter Faden zieht sich das Verarbeiten von weggeworfenen und gefundenen Gegenständen durch ihr gesamtes Werk.

Die in drei Räume gegliederte Ausstellung zeigt einen Querschnitt ihres Schaffens der letzten Jahre. Im ersten Raum der Galerie werden grossformatige Collagen und Malerei zu sehen sein. Der zweite Raum präsentiert Künstlerbücher und ihre digitalen Vertreter kombiniert mit den Geheimschriftarbeiten, die teilweise so klein sind, dass ein Betrachten ohne Lupe kaum noch möglich erscheint.

Schliesslich befindet sich im dritten Raum eine festlich gedeckte Tafel, bei deren Betrachtung man sich mit aktuellen und für die Menschheit des einundzwanzigsten Jahrhunderts, existenziell wichtigen Themen konfrontiert sieht. All das gipfelt in einem Berg aus Wohlstandsmüll, der sich wie eine Welle auf das Abbild unserer Welt ergiesst.

Vernissage:
Freitag, 22. April 2022, 18:30 Uhr
Begrüssung durch Sebastiano Bucca

Kulturnacht Samstag, 7. Mai 2022
Galerie geöffnet bis 24:00 Uhr

Finissage:
Sonntag, 22. Mai 2022, 11:00 – 13:00 Uhr

Die Künstler sind an folgenden Tagen in der Galerie anwesend:
Freitag, 22. April 2022, Vernissage
Sonntag, 24. April 2022
Sonntag, 1. Mai 2022
Samstag, 7. Mai 2022, Kulturnacht
Sonntag, 22. Mai 2022, Finissage

Öffnungszeiten:
Mittwoch – Samstag 14:00 – 17:00 Uhr // Sonntag 11:00 – 17:00 Uhr

Im Lateinischen bedeutet Kodex (ursprünglich caudex) Baumstamm oder Holzklotz, später auch Buch oder Heft. Kodex bezeichnet einen Stapel beschrifteter oder zur Beschriftung vorgesehener Holz- oder Wachstafeln, später den von zwei Holzbrettchen umschlossenen Block gefalteter oder gehefteter Papyrus- oder Pergamentblätter.

Seit 2005 arbeiten Andreas & Ralph Hilbert am Kodex ANRA, einer von ihnen selbst kreierten Geheimschrift, die zum einen minutiös mit Pinsel und Acrylfarbe auf Leinen geschrieben sind, zum andern mit einem Pyrograph auf Baumrinde gebrannt wurden. Sie verstehen diese Schrift als eine Art automatisches Schreiben*, währenddessen ständig neue Schriftzeichen entstehen.

Der Kodex ANRA entsteht in ähnlicher Weise, wie André Breton** dies beschreibt, es gibt weder einen planvollen Aufbau, noch eine nachträgliche Korrektur. Aus dieser unzählbaren Menge an Schriftzeichen, welche in der Form des automatischen Schreibens entstanden sind, haben ANRA versuchsweise sechsundzwanzig Zeichen dem Alphabet zugeordnet, um übersetzbare Texte zu verfassen.

Jedoch der ursprüngliche Kodex ANRA bleibt vorerst unübersetzbar und für Interpretationen offen. Inspiriert dazu wurden die Brüder von der Faszination an alten vergangenen Hochkulturen, insbesondere der Sumerer und ihrer Keilschrift oder den Ägyptern und deren Hieroglyphen Schrift. Zu erwähnen wäre auch noch das sogenannte Voynich-Manuskript, das von einem unbekannten Verfasser auf Tierhaut geschrieben wurde. Jüngere Untersuchungen datieren den Entstehungszeitraum der bizarren, nicht entschlüsselbaren Schrift auf die Jahre 1404 und 1438.

*Der französische Ausdruck Écriture automatique (dt. Automatisches Schreiben, automatischer Text) bezeichnet eine Methode des Schreibens, bei der Bilder, Gefühle und Ausdrücke (möglichst) unzensiert und ohne Eingreifen des kritischen Ich wiedergegeben werden sollen. Unter Verzicht auf Absichtlichkeit und Sinnkontrolle dürfen sowohl Sätze, Satzstücke, Wortketten, als auch einzelne Wörter geschrieben werden. Was ansonsten in Hinsicht auf Orthografie, Grammatik oder Interpunktion als fehlerhaft gilt, kann unter diesen Bedingungen erwünscht und zielführend sein. Wichtig ist allein die Authentizität des Einfalls. Die Surrealisten propagierten diese schriftstellerische Form der Freien Assoziation als eine neue Form der Poesie und der experimentellen Literatur. Die Ursprünge der Écriture automatique gehen auf die Psychologie zurück. Der Begriff wurde um 1889 vom französischen Psychotherapeuten Pierre Janet im Rahmen therapeutischer Versuche geprägt, wobei der Patient im Halbschlaf, in Trance oder unter Hypnose zum Schreiben angehalten wurde, um das Unbewusste ins Bewusstsein zu holen. In der Literatur wurde die Methode der Écriture automatique von der Gruppe der Surrealisten um Andrè Breton im Paris der 1920er-Jahre adaptiert.

Das automatisch Niedergeschriebene, welches sich einem planvollen Aufbau ebenso widersetzt wie einer nachträglich zensierenden Korrektur, diente hier nicht zur Heilung von Krankheiten, zur Erstellung von Psychogrammen oder zur Überwindung von Persönlichkeitsspaltungen, sondern postulierte die unbewussten, traumhaften und spontane Elemente menschlicher Eingebung als Grundlage für eine neue Art der Kreativität.

**Andrè Breton hat die Écriture automatique als „Denkdiktat ohne jede Kontrolle der Vernunft“ beschrieben, als Vorgang, bei dem das Schreiben dem Denken unzensiert folgt, ihm gleichsam hinterherläuft. Am ehesten soll dies gelingen, wenn man sich nach dem Aufwachen, noch im Halbschlaf an den Schreibtisch setzt und die im Dämmerzustand formulierten Sätze sogleich aufschreibt, sozusagen "„unbewusst“ oder „an der Schwelle des Traums“.

Künstlerbücher sind eigenständige Kunstwerke, die allgemein das Buch zum Gegenstand eines künstlerischen Konzepts gemacht haben; in der Kunst der Gegenwart überschritten diese Konzepte auch die Grenzen des Buches als Objekt. Künstlerbücher werden als Originalarbeit von Künstlerhand geschaffen oder erscheinen nach der Idee des Multiples auch in autorisierten Auflagen.

Die ANRA Künstlerbücher entstehen über einen sehr langen Zeitraum. Für das 720-seitige beispielsweise vergingen bis zur Fertigstellung ganze vier Jahre. Wegen des hohen künstlerischen und persönlichen Wertes dieser Bücher ist es nicht möglich, dass jeder Ausstellungsbesucher die Bücher selbst durchblättern kann. Deswegen haben ANRA die Künstlerbücher komplett abgefilmt und präsentieren diese mittels eines Minibeamers in einem circa fünfundzwanzig minütigem Film. So hat jeder Besucher die Möglichkeit, die Bücher von der ersten bis zur letzten Seite durchzuschauen.

Die meisten von ANRA bearbeiteten Bücher waren schon für einen kürzeren oder längeren Zeitraum der Witterung ausgesetzt. Bei manchen einfach deshalb, weil Andreas und Ralph Hilbert sie unterwegs bei ihren Streifzügen gefunden haben, andere aber auch bewusst von ihnen der Witterung ausgesetzt wurden, um diese spezielle Patina zu erhalten. Das ist das, was die Brüder inspiriert – ein altes, abgegriffenes Buch, das niemand mehr will und keine Beachtung mehr findet und normalerweise im Müll landet.

Darauf bauen sie auf, sie bearbeiten Bücher Seite für Seite mit Farben, Zeichnungen, Collagen und ihrer selbst kreierten Geheimschrift. Dann zum Schluss werden die Seiten einzeln gewachst und somit zu Pergament gewandelt und für sehr lange Zeit konserviert. Ihr Ziel ist es, aus etwas scheinbar Nutzlosem, etwas sehr Kostbares zu machen.

Die Zwillingsbrüder ANRA Andreas & Ralph Hilbert setzen sich seit 2008 mit den Themen Krieg und Gewalt, Machtmissbrauch und Manipulation, Unterdrückung und Ungerechtigkeit sowie der Vermüllung unseres Planeten auseinander.

ANRA begann damit gewöhnliches Besteck wie Messer und Gabel in ihren Bildern über die Themen Hunger, Menü Deluxe und Weltenfresser mit einzubauen. Daraus entstand die Idee, Tische und Tafelinstallationen zu kreieren, die ein Abbild unserer Welt darstellen. Aus Messern, Gabeln und Löffel werden Werkzeuge der Kreativität, die ganzen Kriege fressen können. Diesen einzigartigen, vielschichtigen und Detail verliebten Tisch-Tafelinstallationen, mit dem Titel «Kreativität frisst Krieg», liegt ein serielles Konzept zugrunde, mit dem Ziel irgendwann nur noch positive Tellersituationen abzubilden.
Im Entferntesten erinnern diese Installationen an Daniel Spoerri’s Fallenbilder und «Eat – Art Kreationen», welche jedoch einem anderen Inhalt folgen.

Denn ANRA sind Trash – Art Künstler, Trash-Art ist eine Kunstrichtung in der bildende Künstler*innen billige Massenprodukte und Müll als Ausgangsmaterial für ihre Collagen, Skulpturen und Installationen verwenden. Diesen Arbeiten liegt in der Regel ein gesellschafts-, kapitalismus- oder konsumkritischer Subtext zugrunde. Die Kunst von ANRA wird als eso & eco Trash bezeichnet, wobei das eso für Esoterik / Geheimlehren, das eco für Economy, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Umweltfreundlichkeit steht.

Diese zeit- und gesellschaftskritischen Installationen möchten die Betrachter sensibilisieren, zum Nachdenken anregen, Mut machen und im besten Fall eine Änderung unserer Gesellschaft bewirken.

Die Collagen mit dem Titel «…auf Erden» gehören in eine bisher 18-teilige Serie grossformatiger Collagen, welche alle in der Coronazeit entstanden sind.
Die Serie wird jedoch weitergeführt, sobald wieder genügend Collagenmaterial zur Verfügung steht.
Als Bildhintergründe dienen alte Land- und Weltkarten und bilden den Himmel, vor welchem sich Abbildungen verschiedenster Kunstwerke bekannter und weniger bekannten Künstler*innen wiederfinden.

Die Collagen nehmen den Betrachter mit auf einen Streifzug durch die Kunstgeschichte des letzten Jahrhunderts bis in die Moderne (Cézanne, Gauguin, Picasso, Max Ernst usw.) und wollen so die wundervolle Vielfalt und die grossartige Fantasie der Menschen aufzeigen.

Schon bei den ersten Collagen kam die Idee auf ein Triptychon zu schaffen, welches in verschiedene Ebenen aufgeteilt ist, nach dem Vorbild mittelalterlichen Triptychen, allen voran jenen von Hieronymus Bosch.